Impfen in der Apotheke
„DIE KUNDEN NEHMEN UNS JETZT ANDERS WAHR”
Impfen gehört in vielen Apotheken mittlerweile zum Alltag – gegen Grippe und Corona. Die neue pharmazeutische Dienstleistung ist ein niedrigschwelliges Angebot, bietet einen echten Mehrwert für die Patientinnen und Patienten und sorgt für ein positives Image der Apotheken. „Die Kunden nehmen das Impfangebot sehr gut an“, hat der Kieler Apotheker Jean Christian Gramann festgestellt. NEUE WEGE sprach mit ihm, Simone Helmentag, Jan Henning Staggenborg und Dr. Martin Dietz über die ersten Erfahrungen mit dem neuen Service-Angebot.
Ist die klassische Apotheke vor Ort in Zeiten der Digitalisierung eigentlich ein Auslaufmodell? Keinesfalls sagen Branchenkenner. Im Gegenteil. Denn die Apotheke vor Ort kann im Gegensatz zu den Mitbewerben aus dem Internet für die Kundinnen und Kunden einen echten Mehrwert schaffen: Mit Dienstleistungen, die kein Online-Händler jemals wird bieten können. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das Impfen, das jetzt auch hierzulande in Apotheken erlaubt ist. „Seitdem wir impfen, nehmen uns die Kunden deutlich anders wahr. Wir sind plötzlich nicht nur Abgabestelle für Medikamente, sondern bieten eine medizinische Dienstleistung an”, sagt Jean Christian Gramann von der Herz- und der Holsten-Apotheke aus Kiel. Er hat bislang zusammen mit seinem Team rund 30 Menschen gegen Grippe geimpft.
Bei ihm haben fünf Apotheker die Schulungen der AKADEMIE von AHD und GEHE absolviert, die für das Impfen gegen Grippe und Corona (Personen über 18 Jahren) qualifizieren. Gramann gestaltet die Dienstpläne jetzt so, dass immer ein Apotheker mit dieser Zusatzqualifikation im Einsatz ist. Große Überzeugungsarbeit musste er unter den Mitarbeitenden nicht leisten, die Idee, in der Apotheke zu impfen, sei von Anfang an sehr gut angekommen. Jean Christian Gramann geht davon aus, dass die Apotheken die Ärzte mit diesem Angebot auch entlasten, die stark in Sachen Corona-Impfung eingebunden waren und sind.
Der erste Patient von Apothekerin Simone Helmentag war eine große Orange. Denn die Zitrusfrucht ist nicht nur vitaminreich und lecker, sondern auch ein hervorragendes Übungsobjekt, um den Umgang mit einer Impf Spritze und das richtige Einstechen in einen menschlichen Oberarm zu üben. Die 50-jährige Apothekerin von der Apotheke im Pluspunkt in Schleswig hat in den letzten Wochen 70 echte Patientinnen und Patienten gegen Grippe geimpft und sagt: „Beim Impfen habe ich jetzt schon Routine.”
Mittlerweile impft sie auch gegen Corona. Denn: „Es hatte sich herumgesprochen, dass bei uns geimpft wird. Deshalb gingen die Kunden davon aus, dass wir auch gegen Corona impfen und fragten aktiv nach. Das war für uns der Startschuss, auch dieses Angebot zu machen”, so Simone Helmentag. Aktuell impft sie jeden Samstag gegen Corona, bietet in vier Stunden zwölf Termine an. „Beim Impfen lasse ich mir generell Zeit. So habe ich Gelegenheit, mit den Menschen wirklich ins Gespräch zu kommen.” Hinter dem neuen Service-Angebot für die Kundinnen und Kunden steht sie voll und ganz. „Ich bin seit 25 Jahren Apothekerin und es ist wichtig, auch mal nach links und rechts zu schauen, den Horizont zu erweitern”, sagt sie.
„WIR APOTHEKER MÜSSEN UNS WEITERENTWICKELN"
Auch Jean Christian Gramann steht voll dahinter. „Ich kann das Impfangebot in Apotheken nur begrüßen. Wir müssen uns weiterentwickeln. Nur Pillen drehen, wie mein Vater es noch vor 50, 60 Jahren gemacht hat, ist nicht mehr zeitgemäß”, betont der Kieler Pharmazeut und fügt hinzu: „Mein Vater findet die Weiterentwicklung übrigens auch sehr gut. Seine Familie stammt aus Frankreich und dort gehört Impfen in der Apotheke schon seit langem ganz selbstverständlich dazu.”
Auch Apotheker Dr. Martin Dietz von der Achat Apotheke aus Idar-Oberstein ist nach der Impfung von rund 120 Patienten schon sehr versiert im Umgang mit der Spritze. „Aber ich gebe auch zu, dass ich beim ersten Mal ganz schön nervös gewesen bin”, sagt Dr. Martin Dietz und lacht. Er hatte zuvor ebenfalls an einer Orange und dann am Oberarm eines Kollegen mit einer Kochsalzlösung geübt. Umso erleichterter war er, als der erste Patient nach dem Piks verkündete: „Das war gut, ich habe gar nichts gemerkt.” Dr. Martin Dietz hat ebenfalls die Ausbildung zur Grippeschutzimpfung an der AKADEMIE absolviert, ist dann jedoch schnell zur Impfung gegen Corona übergegangen. „Ob Grippe oder Corona: Das Team steht voll hinter dem Thema Impfen in der Apotheke”, sagt er.
Er hat beobachtet, dass die Patienten die Apotheke nach der Impfung sehr fröhlich verlassen. „Sie freuen sich sehr über die ausführliche Beratung. Viele sagen auch: ,So wie sie hat mir das alles noch niemand erklärt.' Zudem bekommen sie sofort das digitale Impfzertifikat mit, das spart Zeit.” Alle drei Apotheker bieten ihr Impfangebot in Beratungsräumen an. Jean Christian Gramann hatte diese Rückzugsmöglichkeit bei einem Neubau vor zwei Jahren gleich mit eingeplant. Simone Helmentag hat in ihrem Beratungsraum eine Liege untergebracht.
POLITIK BREMST APOTHEKER IN SACHEN IMPFUNG AUS
Gleich ein ganzes Impf-Zentrum hat Apotheker Jan Henning Staggenborg aus Elmshorn auf die Beine gestellt, in dem er mindestens 200 Menschen pro Tag gegen Corona impfen könnte. Perfekt gelegen, direkt neben der Apotheke in einem Einkaufszentrum. Jedoch: „Wir haben noch kein einziges mal geimpft”, sagt Staggenborg. Das Problem: Als Anfang diesen Jahres endlich die politischen Rahmenbedingungen und Abrechnungsmodalitäten festgelegt waren, war die Grippesaison schon so gut wie vorbei und die Nachfrage nach Corona-Impfungen stark gesunken. „Wir waren hochmotiviert, wir waren vorbereitet und wir hätten sofort starten können”, erklärt Staggenborg. Dennoch hat er sich bewusst dagegen entschieden. „Ich hatte das Gefühl, dass die Ärzte vor Ort in Sachen Corona-Impfungen alles sehr gut im Griff hatten. Mein gutes Verhältnis zu ihnen wollte ich nicht wegen maximal fünf, sechs Impfungen am Tag gefährden”, sagt er.
Ein wenig ausgebremst von Politik und Krankenkassen fühlen sich auch Simone Helmentag, Dr. Martin Dietz und Jean Christian Gramann. Schnellere Entscheidungen wären wünschenswert gewesen, sagen sie. Jedoch: „Wenn die nächste Impfsaison losgeht, beispielsweise die vierte oder fünfte Corona-Impfung, stehen wir sofort bereit”, sagt Jan Henning Staggenborg. Martin Dietz betont: „Ich denke, dass es sehr wichtig ist, sich mit solchen Zusatz-Dienstleistungen deutlich vom Versandhandel abzuheben. Denn impfen kann der definitiv nicht.”
Impfen in der Apotheke gehört in anderen Ländern schon lange zum Leistungsportfolio. In Deutschland ist der Startschuss jetzt gefallen. Eine Dienstleistung, die aus unserer Sicht die Apotheke vor Ort elementar stärken wird und für die Kundinnen und Kunden einen echten Mehrwert schafft. Impfen in Apotheken von AHD und GEHE ist die Zukunft. Und wir als AKADEMIE tun alles dafür, um die Apotheken auf diesem Weg bestmöglich zu unterstützen und fortzubilden.
Trotz der Herausforderungen in der Corona-Pandemie haben wir die Apothekerinnen und Apotheker bestärkt und geschult. 126 Teilnehmende aus 46 Apotheken haben an unseren Seminaren von März bis Dezember 2021 teilgenommen – unter den jeweiligen Hygienevorschriften der Pandemie. Es freut uns sehr, dass diese Schulungen auch für COVID-Impfungen bei Erwachsenen anerkannt wird und man dafür nicht wie bei der Grippeimpfung in ein Modelvorhaben eintreten muss. Das Thema ist uns so wichtig, dass wir in diesem Jahr weitere Schulungen anbieten werden. Die nächsten beginnen in der 2. Augusthälfte. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir weitere Apotheken-Teams auf ihrem Weg zur impfenden Apotheke professionell begleiten dürfen. Zudem wird unser Außendienst Ihnen, den Apotheken, gern die Chancen aufzeigen, die das Thema Impfen in der Apotheke hat.
Sie wollen auch dabei sein? Dann freuen wir uns sehr, Sie bald in der AKADEMIE begrüßen zu dürfen. Sie haben Interesse an der Teilnahme am Modellvorhaben in Schleswig-Holstein? Dann melden Sie sich gerne direkt bei mir: goenna.schneil@gehe.de, +49175/1865009. Weitere Informationen finden Sie auch unter: www.geheakademie. de.